Lerntheoretische Modelle
16 Ursprünge des behavioristischen Modells
Weil Lernen Verhaltensänderung als Resultat von Erfahrung bedeutet, basieren die Lerntheorien auf Beobachtungen von Verhalten und Verhaltensänderungen. Die Begriffe Lerntheorie und Verhaltenstheorie werden daher in der psychologischen Literatur oft synonym gebraucht (Lefrançois, 2006), wie auch der Begriff des Behaviorismus.
Der Behaviorismus geht in seiner ersten Ausformulierung auf den amerikanischen Psychologen John B. Watson zurück. Innerhalb des Behaviorismus gibt es verschiedene Richtungen, die von einer orthodoxen, rein verhaltensorientierten Sichtweise bis hin zu den Richtungen gehen, die kognitive Aspekte in ihre Theorien einfliessen lassen.
Der orthodoxe Behaviorismus (Nolting & Paulus, 2012) beschäftigt sich nur mit beobachtbarem Verhalten. Dazu kommen Phänomene, die durch Operationalisierung beobachtbar und messbar gemacht werden; so kann z.B. Hunger als die Zeit seit der letzten Nahrungsaufnahme operationalisiert werden (Nolting & Paulus, 2012). Innerpsychische und kognitive Prozesse und Strukturen, die nur durch Introspektion zugänglich sind, werden nicht als relevant erachtet. Verhalten kann mit Verhaltensanalysen vollumfänglich erklärt werden. Man spricht deshalb auch von deskriptivem Behaviorismus.
Seit den 1960er Jahren hat sich der Behaviorismus Watsons mit der kognitiven Wende stark verändert; immer mehr kognitive Prozesse wurden in die Verhaltensbeschreibung und -erklärung einbezogen, woraus der kognitive Behaviorismus entstand. Zwischen Reiz (Stimulus) und Reaktion werden jetzt vermittelnde Prozesse angenommen, die sich nicht als Verhalten äussern, sondern im Innern des Individuums ablaufen (Nolting & Paulus, 2012), siehe auch Tabelle im folgenden Abschnitt.
Klassifikation der Lerntheorien
Die folgende Tabelle (nach Lefrançois, 2006, S. 21) gibt einen Überblick über lerntheoretische Begriffe, Konzepte und Personen.
Lerntheorie | Interessierende Variablen | Repräsentative Theorien |
Behaviorismus [1] | Stimuli | Thorndyke, Pawlow |
---|---|---|
Reaktionen | Guthrie, Watson | |
Verstärkung | Skinner, Hull | |
Bestrafung | ||
Übergang [2]
|
Evolutionspsychologie | Rescorla-Wagner, Wilson |
Soziobiologie | Hebb, Tolman, | |
Stimuli, Reaktionen, Verstärkung | Koffka, Köhler | |
Zweck, Ziele | Wertheimer | |
Erwartung, Repräsentation | ||
Kognitive Theorien [3]
|
Repräsentation, Bewusstsein | Bruner, Piaget |
Informationsverarbeitung | Wygotski | |
Wahrnehmung, Organisation | Computermodelle | |
Entscheidungsfindung, Problemlösen | Informationsverarbeitung | |
Aufmerksamkeit, Gedächtnis | Gedächtnis- und Motivationsmodelle | |
Kultur, Sprache |
[1] Behaviorismus: Stimuli und Reaktionen als einzige objektive und direkt beobachtbare Aspekte des Verhaltens.
[2] Übergang (vom Behaviorismus zu den kognitiven Theorien): Viele Prinzipien des Behaviorismus gelten immer noch, aber als Ergänzung entwickeln sich biologische und mentalistische Konzepte.
[3] Kognitive Theorien berücksichtigen neben dem beobachtbaren Verhalten auch Themen wie Wahrnehmung, Informationsverarbeitung, Konzeptbildung, Bewusstsein und Verstehen (Lefrançois, 2006).
Literatur
- Bodenmann, Guy, Perrez, Meinrad & Schär, Marcel. (2011). Klassische Lerntheorien. Grundlagen und Anwendungen in Erziehung und Psychotherapie (Psychologie Lehrbuch, 2. Aufl.). Bern: Verlag Hans Huber.
- Hilgard, Ernest R., Bower, Gordon H. & Aebli, Hans. (1983). Theorien des Lernens (5. Aufl.). Stuttgart: Klett. (Standardwerk als Einführung zu Lerntheorien).
- Lefrançois, G. R. (2006). Psychologie des Lernens (4. Aufl.). Heidelberg: Springer.