Lerntheoretische Modelle

16 Ursprünge des behavioristischen Modells

(c) aus Comer (2008)

Weil Lernen Verhaltensänderung als Resultat von Erfahrung bedeutet, basieren die Lerntheorien auf Beobachtungen von Verhalten und Verhaltensänderungen. Die Begriffe Lerntheorie und Verhaltenstheorie werden daher in der psychologischen Literatur oft synonym gebraucht (Lefrançois, 2006), wie auch der Begriff des Behaviorismus.

Der Behaviorismus geht in seiner ersten Ausformulierung auf den amerikanischen Psychologen John B. Watson zurück. Innerhalb des Behaviorismus gibt es verschiedene Richtungen, die von einer orthodoxen, rein verhaltensorientierten Sichtweise bis hin zu den Richtungen gehen, die kognitive Aspekte in ihre Theorien einfliessen lassen.

Der orthodoxe Behaviorismus (Nolting & Paulus, 2012) beschäftigt sich nur mit beobachtbarem Verhalten. Dazu kommen Phänomene, die durch Operationalisierung beobachtbar und messbar gemacht werden; so kann z.B. Hunger als die Zeit seit der letzten Nahrungsaufnahme operationalisiert werden (Nolting & Paulus, 2012). Innerpsychische und kognitive Prozesse und Strukturen, die nur durch Introspektion zugänglich sind, werden nicht als relevant erachtet. Verhalten kann mit Verhaltensanalysen vollumfänglich erklärt werden. Man spricht deshalb auch von deskriptivem Behaviorismus.

Seit den 1960er Jahren hat sich der Behaviorismus Watsons mit der kognitiven Wende stark verändert; immer mehr kognitive Prozesse wurden in die Verhaltensbeschreibung und -erklärung einbezogen, woraus der kognitive Behaviorismus entstand. Zwischen Reiz (Stimulus) und Reaktion werden jetzt vermittelnde Prozesse angenommen, die sich nicht als Verhalten äussern, sondern im Innern des Individuums ablaufen (Nolting & Paulus, 2012), siehe auch Tabelle im folgenden Abschnitt.

Der Mensch spielt im orthodoxen Behaviorismus keine besondere Rolle, sondern wird analog zu Ratten, Mäusen und Tauben untersucht; seine biologisch-genetische Ausstattung wird nicht berücksichtigt.

Klassifikation der Lerntheorien

Die folgende Tabelle (nach Lefrançois, 2006, S. 21) gibt einen Überblick über lerntheoretische Begriffe, Konzepte und Personen.

Lerntheorie Interessierende Variablen Repräsentative Theorien
Behaviorismus [1] Stimuli Thorndyke, Pawlow
Reaktionen Guthrie, Watson
Verstärkung Skinner, Hull
Bestrafung
Übergang [2]

 

 

 

 

Evolutionspsychologie Rescorla-Wagner, Wilson
Soziobiologie Hebb, Tolman,
Stimuli, Reaktionen, Verstärkung Koffka, Köhler
Zweck, Ziele Wertheimer
Erwartung, Repräsentation
Kognitive Theorien [3]

 

 

 

 

 

Repräsentation, Bewusstsein Bruner, Piaget
Informationsverarbeitung Wygotski
Wahrnehmung, Organisation Computermodelle
Entscheidungsfindung, Problemlösen Informationsverarbeitung
Aufmerksamkeit, Gedächtnis Gedächtnis- und Motivationsmodelle
Kultur, Sprache

[1] Behaviorismus: Stimuli und Reaktionen als einzige objektive und direkt beobachtbare Aspekte des Verhaltens.

[2] Übergang (vom Behaviorismus zu den kognitiven Theorien): Viele Prinzipien des Behaviorismus gelten immer noch, aber als Ergänzung entwickeln sich biologische und mentalistische Konzepte.

[3] Kognitive Theorien berücksichtigen neben dem beobachtbaren Verhalten auch Themen wie Wahrnehmung, Informationsverarbeitung, Konzeptbildung, Bewusstsein und Verstehen (Lefrançois, 2006).

Die Begriffe Behaviorismus und Kognitivismus müssen hier als Etiketten verstanden werden. Die dahinter stehenden komplexen Theorien sind zwar sehr unterschiedlich, enthalten aber nichtsdestoweniger viele gemeinsame Ideen!

Literatur

  • Bodenmann, Guy, Perrez, Meinrad & Schär, Marcel. (2011). Klassische Lerntheorien. Grundlagen und Anwendungen in Erziehung und Psychotherapie (Psychologie Lehrbuch, 2. Aufl.). Bern: Verlag Hans Huber.
  • Hilgard, Ernest R., Bower, Gordon H. & Aebli, Hans. (1983). Theorien des Lernens (5. Aufl.). Stuttgart: Klett. (Standardwerk als Einführung zu Lerntheorien).
  • Lefrançois, G. R. (2006). Psychologie des Lernens (4. Aufl.). Heidelberg: Springer.

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