Kognitive Modelle

33 Beurteilung und Kritik kognitiver Modelle

Beurteilung und Kritik kognitiver Modelle

Es gibt mehrere Gründe für die Anziehungskraft des kognitiven Modells. Erstens konzentriert es sich auf eine der wichtigsten Fähigkeiten des Menschen, das Denken. So wie unsere kognitiven Fähigkeiten könnten auch die Probleme, die für das menschliche Erleben und Verhalten typisch sind, auf das Denken zurückgehen. Dass das kognitive Modell das menschliche Denken als Hauptquelle für das Verhalten (auch für das abweichende) sieht, macht es für viele Theoretiker attraktiv (Comer, 2008).

Kognitive Theorien lassen sich empirisch überprüfen. Forschungsarbeiten erbrachten Hinweise, dass Menschen tatsächlich häufig die Überzeugungen, speziellen Gedanken und Denkprozesse zeigen, die zu abweichendem Erleben und Verhalten beitragen. Es wurde nachgewiesen, dass kognitive Phänomene tatsächlich bei vielen psychischen Problemen eine Rolle spielen. Wenn man Probanden dazu bringt, unangenehme Annahmen oder Gedanken zu übernehmen, werden sie ängstlicher und depressiver.
Ähnlich zeigten sich bei vielen Menschen mit depressiven Störungen, Angst- oder sexuellen Störungen  fehlangepasste Annahmen, Gedanken oder Denkprozesse (Comer, 2008).

Dennoch hat auch das kognitive Modell seine Schwächen. Obwohl kognitive Prozesse bei vielen psychischen Störungen eine Rolle spielen, bleibt der genaue Charakter dieser Rolle noch unklar. Die fehlangepassten Kognitionen psychisch erkrankter Menschen könnten auch eine Folge statt eine Ursache ihrer Schwierigkeiten sein. Sicher sind Prozesse, die so entscheidend für das menschliche Erleben und Verhalten sind, höchst anfällig für Störungen jeder Art.
Das kognitive Modelle wird auch für die Enge seines Blickwinkels kritisiert. Zwar stellt die Kognition eine spezifisch menschliche Eigenschaft dar, dennoch macht sie nur einen Teil des menschlichen Erlebens und Verhaltens aus. Sind die Menschen nicht mehr als ihre Gedanken — sogar mehr als die Summe ihrer Gedanken, Gefühle und Handlungen?
Für diejenigen, die davon überzeugt sind, müssen Erklärungen des menschlichen Erlebens und Verhaltens zumindest manchmal umfassendere Fragen berücksichtigen, etwa wie Menschen ihr Leben anpacken, was sie dabei gewinnen und wie sie mit der Sinnfrage umgehen. Dies ist das Argument des humanistischen Ansatzes (Comer, 2008).

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