Kognitive Modelle

27 Kognitive Erklärungen abweichenden Verhaltens

Kognitive Erklärungen abweichenden Verhaltens

Welche Annahmen und Einstellungen steuern die Wahrnehmungen eines Menschen? Welche Gedanken bewirken sie, und zu welchen Schlussfolgerungen führen sie ihn? Wenn Menschen abweichende Erlebens- und Verhaltensmuster zeigen, machen die kognitiven Modelle dafür kognitive Probleme verantwortlich.

Wir haben alle unsere persönlichen Vorstellungen und Überzeugungen über unser Verhalten in unserer Welt, in verschiedenen Situationen und in der Interaktion mit den Mitmenschen. Comer (2008) bezeichnet den Menschen als Künstler:

Symbolischer Kopf mit Zahnrädern und Input der wie über einen Trichter eingefüllt wird.
(c)

Für die kognitiv orientierten Theoretiker sind wir alle Künstler: Während wir versuchen, die Ereignisse um uns herum zu verstehen, reproduzieren und schaffen wir in unseren Köpfen unsere eigenen Welten. Wenn wir erfolgreiche Künstler sind, entsprechen unsere kognitiven Repräsentationen der Wirklichkeit (andere stimmen ihnen zu) und sind nützlich (angepasst). Sind wir es jedoch nicht, schaffen wir uns vielleicht eine kognitive Innenwelt, die anderen fremd ist und für uns selbst schmerzlich und schädlich. Gestörtes Erleben und Verhalten kann auf verschiedene kognitive Probleme zurückgehen: fehlangepasste Annahmen oder Einstellungen, negative Gedanken und unlogische Denkprozesse (Comer, 2008).

Die kognitiven Modelle erklären abweichendes Erleben und Verhalten z. B. mit den folgenden Denkprozessen (eine ausführliche Darstellung folgt in den nächsten Kapiteln).

Unlogische Denkprozesse: Bestimmte Menschen denken gewohnheitsmässig unlogisch und ziehen immer wieder selbstherabsetzende und schädliche Schlussfolgerungen. Diese Prozesse werden als Denkfehler bezeichnet, wie z.B. die selektive Wahrnehmung (man sieht nur die negativen Seiten eines Ereignisses), die Überbewertung (die Bedeutung unerwünschter Ereignisse wird übertrieben), oder die Übergeneralisierung (man zieht auf Grund eines einzelnen negativen Ereignisses umfassende negative Konsequenzen).

Negative Gedanken können gemäss den kognitiven Theorien ebenfalls zu gestörtem Erleben und Verhalten führen. Diese Gedanken können sich verselbständigen und als automatische Gedanken unser Denken und Handeln bestimmen, was zu einer Depression führen kann.

Irrationale Überzeugungen und fehlangepasste Annahmen bringen manche Menschen zu Reaktionen, die unangemessen sind und das Wohlergehen beeinträchtigen. Manche Menschen sind fälschlicherweise davon überzeugt, sie seien klägliche Versager, wenn sie nicht von allen ihren Bekannten geliebt oder gelobt werden (Comer, 2008).

Ob die Kognitivisten nun irrationale Überzeugungen, selbstabwertende Gedanken, unlogisches Denken oder eine Kombination aus allen dreien hervorheben, immer sind Kognitionen der Schlüssel zu gestörtem Erleben und Verhalten. Gestörtes Verhalten wird grösstenteils nicht von einer Krankheit hervorgerufen, sondern von unrichtigem und kontraproduktivem Denken. Wenn Menschen mit Störungen anders denken lernen können, können sie ihre Schwierigkeiten überwinden (Comer, 2008).

Video: Störung als Folge von Defiziten der O-Variable

Im folgenden Videoausschnitt erläutert Prof. Dr. Guy Bodenmann das Zustandekommen von abweichendem Verhalten als Folge von Defiziten bei der Organismus-Variable (Organismus-Variable als Teil des SORCK-Modells (siehe Kapitel Lerntheoretische Verhaltenstherapie > SORCK-Modell)).
Das Video wurde aufgenommen an den Fortbildungstagen HfH im Januar 2014.

Das Videobeispiel bezieht sich auf negative Denkprozesse, die im Kapitel kognitive Verhaltenstherapie > kognitive Therapie und von Aaron T. Beck eingehender dargestellt werden.

 

 

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