Modul 1

1 Das nervt!

Minderleister im Stress

Viele Hochbegabte sind in der Schule unterfordert. Doch nur manche von ihnen reagieren darauf mit Problemen in der Schule. Ein Blick ins Gehirn zeigt, weshalb das so ist und was man dagegen tun kann.

Rund 15 Prozent der Hochbegabten erbringen Minderleistungen. Man vermutet, dass dies die Folge einer Unterforderung im Unterricht ist. Doch während die einen Hochbegabten zum Teil erhebliche Schulprobleme haben, können andere Hochbegabte gut mit Unterforderungen umgehen. Ob es daran liegt, dass die beiden Gruppen emotional unterschiedlich mit Unterforderungen umgehen, soll jetzt ein Blick ins Gehirn zeigen. Im Fokus steht dabei die Amygdala. Dieser Kern im Emotionszentrum des Gehirns, dem limbischen System, hat die Aufgabe, Informationen aus dem Alltag innert Millisekunden nach einem ganz einfachen Muster emotional einzufärben: angenehm oder unangenehm? Gefährlich oder ungefährlich? Bedeutsam oder nicht bedeutsam? Dabei ist die Amygdala vor allem bei negativen Emotionen aktiviert.

Die Vermutung: Bei Hochbegabten mit Schulproblemen ist die Amygdala tendenziell stärker aktiviert als bei erfolgreichen Hochbegabten. Ist diese Region aktiviert, so löst sie eine Reaktion aus (s. Video; die ersten zwei Minuten reichen, um die Idee zu begreifen), weshalb in der Folge mit negativen Emotionen verbundene Körperzustände wie Schwitzen oder flachere Atmung stärker wahrgenommen werden. Die Amygdala signalisiert dann in gewisser Weise: Unangenehm! Gefährlich! Aufgepasst! Mit anderen Worten: Stress.

Für Hochbegabte mit Schulproblemen, so die Vermutung, ist eine Unterforderung also belastender als für Hochbegabte, die in der Schule reüssieren. Sie reagieren rein physiologisch stärker darauf, nehmen dies aber nicht bewusst wahr: Sie haben dann Stress, ohne den Stress zunächst erleben oder gar benennen zu können. Erstreckt sich die Unterforderung über mehrere Monate und länger, gelangen sie in einen belastenden Zustand, den die Lehrpersonen, Eltern oder Schulpsychologen häufig als «Leidensdruck» bezeichnen. „Wenn die Hirnforschung herausfindet, wie dieser Leidensdruck entsteht, dann wäre dies eine grosse Hilfe für die Beratung», sagt Caroline Benz vom Kinderspital und konkretisiert: «Kinder, die Probleme früh wahrnehmen und ausdrücken können, haben grössere Chancen, dass ihre Bedürfnisse von den Eltern und Lehrpersonen befriedigt werden.»

 

Vertiefung

Lesen Sie den Artikel “Das nervt! Hochbegabte im Stress” (4 Seiten). Welcher pädagogisch-therapeutische Ansatz ist unter dem Gesichtspunkt dieser besonderen Gefühlslage hochbegabter Minderleister besonders interessant?

License

Begabtenförderung Copyright © by Dr. Dominik Gyseler. All Rights Reserved.