10 Lernbeeinträchtigungen und Sehbeeinträchtigung

Schülerinnen und Schüler mit Sehbeeinträchtigungen und Mehrfachbehinderungen können eine Reihe von Herausforderungen beim Lernen haben. Beispielsweise können Schwierigkeiten mit der visuellen, taktilen und auditiven Wahrnehmung sowie Probleme mit dem visuellen Gedächtnis, den visio-motorischen Fähigkeiten und der räumlichen Orientierung auftreten. Beim Schreiben von Braille- und Schwarzschrift kann es sein, dass die Buchstaben und Wörter verkehrt herum geschrieben werden. Zudem kann es sein, dass die phonologische Bewusstheit nicht ausreichend entwickelt ist. Darüber hinaus können Schwierigkeiten auftreten, abstrakte Konzepte zu verstehen, die beispielsweise für den Mathematikunterricht wichtig sind.

Die Diagnose einer bestimmten Lernbeeinträchtigung erfordert zudem häufig die Einschätzung einer Schulpsychologin oder eines Schulpsychologen, eine Lehrkraft der Allgemeinen Schule, eine/ einen SHP mit dem Schwerpunkt auf Lernen. Bei der Suche nach Ursachen für die Lernbeeinträchtigung werden häufig sehr schnell kognitive Gründe angeführt. In einigen wenigen Fällen kann es jedoch auch ein visuelles Wahrnehmungsproblem vorliegen. Eine SHP mit dem Schwerpunkt Sehen oder eine Low Vision Fachperson kann dies schnell überprüfen, weshalb sich in vielen Fällen eine Kooperation lohnt.

Viele Leseschwierigkeiten können visuell bedingt sein, z.B. durch eine unzureichende Trennschärfe (=Crowding). Das obere Bild illustriert das Erscheinungsbild eines Texts für ein Kind mit Crowding-Problemen. Durch Anpassung der Buchstabenweite und die Verwendung spezieller Schriftarten (siehe Bild unten) kann das Crowding reduziert werden.

Viele Lernende mit Sehbeeinträchtigungen, insbesondere frühgeborene Schülerinnen und Schüler, haben schulisch gute Leistungen und gute Sozialkompetenzen, benötigen aber Unterstützung und Intervention im Bereich der exekutiven Funktion sowie der Fähigkeit zu organisieren und Problemlösen. Die exekutive Funktion besteht aus drei Elementen:

  1. Das Arbeitsgedächtnis ist dafür verantwortlich Informationen lange genug zu behalten, um Aufgaben zu initiieren oder abzuschließen. Das Arbeitsgedächtnis wird für Planung und Organisation von Aufgaben verwendet. Zum Beispiel beim Befolgen Regeln oder Anweisungen, beim Bearbeiten von Materialien und Aufgaben und Lösen von Problemen in mehreren Schritten.
  2. Inhibition (=Hemmung/Unterdrückung) bezieht sich auf die Fähigkeit, das Verhalten in verschiedenen Settings oder Situationen zu kontrollieren. Es wird oft als Impulskontrolle bezeichnet und ist für die Regulierung von Emotionen unerlässlich.
  3. Kognitive oder mentale Flexibilität bezieht sich auf die Fähigkeit, verschiedene Handlungsmöglichkeiten zu bestimmen, wenn auf eine bestimmte Situation reagiert werden muss, sich an Veränderungen anzupassen und Pläne leicht und flexibel zu ändern.

Eine Sehbeeinträchtigung kann dazu führen, dass die Entwicklung der exekutiven Funktionen verzögert ist. Das liegt daran, dass beispielsweise die „Planung und Organisation“ von Aufgaben beim vorliegen einer Sehbeeinträchtigung erschwert sind. Wenn es im Zuge dessen zu Lernschwierigkeiten kommt, liegt dies wiederum in der Sehbeeinträchtigung begründet. Das erklärt auch, warum Lernschwierigkeiten und Sehbeeinträchtigungen häufig gemeinsam auftreten.

Zusammenfassung

 

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Mehrfache Beeinträchtigung und Sehen Copyright © Fabian Winter. Alle Rechte vorbehalten.

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