3 Prävalenz und Ursachen von Blindheit und Sehbeeinträchtigung

Exakte Angaben über die Häufigkeit von Blindheit und Sehbeeinträchtigung in der Schweiz liegen nicht vor. Die vom Schweizerischen Blinden- und Sehbehindertenverband (SZBlind) veröffentlichen Zahlen beruhen auf einer Schätzung (Spring 2019). Demzufolge leben in der Schweiz aktuell ca. 377’000 Menschen mit einer Sehbeeinträchtigung, wovon 57’000 eine Hörsehbeeinträchtigung aufweisen, 50’000 als blind gelten und 270’000 als sehbehindert.

Sehbeeinträchtigung, Blindheit und Hörsehbeeinträchtigungen in der Schweiz (basierende auf Spring 2019)

Für das Kindes- und Jugendalter ergibt sich laut SZBlind Statistik für das Jahr 2018 eine Zahl von 1’800 Kinder und Jugendliche, die blinden- und sehbehindertenspezifisch unterstützt wurden (Spring 2018). Von dieser Gruppe werden schätzungsweise ca. 70% inklusiv begleitet. Von den restlichen geschätzten 30% an Blinden- und Sehbehindertenschulen haben etwa 60% noch einen zusätzlichen Förderbedarf.

Anhand der Zahlen erkennt man sehr gut, dass nur ein Bruchteil der von Sehbeeinträchtigung betroffenen Personen jünger ist als 20 Jahre. Somit steigt mit dem Alter auch die Wahrscheinlichkeit einer Sehbeeinträchtigung und Blindheit, was auch aus den Statistiken des SZBlinds hervorgeht:

Anteil Menschen mit Sehbeeinträchtigung, Blindheit oderHörsehbehinderung nach Alter (2019)

Ursachen von Blindheit und Sehbeeinträchtigungen

Die Ursachen von Blindheit und Sehbeeinträchtigung können sehr vielfältig sein und lassen sich auf genetische (z.B. vererbte Augenerkrankungen) oder umweltbedingte Faktoren (z.B. Unfälle, Geburtskomplikationen, erworbene Krankheiten) zurückführen. Bedeutsam erscheint eine Differenzierung in Bezug auf den Schädigungsort, d.h. inwieweit der Sehapparat (Auge: Linse, Hornhaut, Netzhaut etc.) eine Schädigung aufweist und/oder etwaige Störungen der Reizweiterleitung und -verarbeitung die beobachtbaren Sehbeeinträchtigungen erklären können. Störungen der Verarbeitung visueller Reize im Gehirn werden als CVI (Cerebral Visual Impairment) bezeichnet. In den Industrieländern können im Kindes- und Jugendalter häufig die in der Abbildung  aufgeführten Ursachen von Sehschädigungen festgestellt werden (im Alter sind andere Ursachen vorherrschend):

  1. CVI (Cerebral Visual Impairment) 20-25%
  2. Netzhautschädigung bei Frühgeborenenretinopathie (ROP) 12-19%
  3. Sehnervschädigung 11-19%
  4. Strukturveränderung des Auges (z.B. erbliche Netzhautdegenerationen) 11-13%
  5. Albinismus 4,5%

Die Angaben zu den Prävalenzen stammen aus zwei Studien (Hatton et al. 2013 und Garbner & Huebner 2017), die jeweils eine repräsentative Stichprobe (>5000 Kinder) im Bereich der Früherziehung hinsichtlich der Prävalenz der Diagnosen untersucht haben. Die Prozentzahlen geben jeweils die Spannen aus beiden Studien an.

Demzufolge ist CVI in den westlichen Ländern inzwischen die häufigste Ursache für Sehbeeinträchtigungen (20-25%) gefolgt von der ROP (12-19%), was auch dazu führt, dass der Anteil an Kindern mit zusätzlichem Förderbedarf in den letzten Jahren deutlich angestiegen ist und noch weiter ansteigen wird.

Prävalenz von Sehbeeinträchtigung bei Kindern und Jugendlichen mit Mehrfachbeeinträchtigung

Eine Schwierigkeit besteht darin, dass Sehbeeinträchtigungen bei komplexen Behinderungen oftmals nicht erkannt werden. In einer Prävalenzstudie in Deutschland (Drave, Fischer & Kießling 2013) mit ortoptischen Reihenuntersuchungen konnte an Schulen mit den Förderschwerpunkten Kognitive Entwicklung (früher auch geistige Entwicklung) und Motorische Entwicklung nachgewiesen werden, dass 15% der untersuchten Schülerinnen und Schüler sehgeschädigt in sozialrechtlichem Sinne sind. Man kann deshalb vermuten, dass es eine hohe Dunkelziffer im Bereich „unentdeckter Sehbeeinträchtigungen“ gibt.

Die gemeinsame Studie REVISA (Recognition of Visual Impairment in (Pre)School Age) der HfH und des SZBlinds setzt genau bei diesem Problem an. In der Studie wird untersucht, wieso Sehbeeinträchtigung beim vorliegen komplexer Beeinträchtigungen häufig nicht erkannt werden. Weitere Informationen zur Studie gibt es hier.

Zusammenfassung

Literatur

  • Spring, S. (2019). Sehbehinderung, Blindheit und Hörsehbehinderung: Entwicklung in der Schweiz. SZBlind Schweizerischer Zentralverein für das Blindenwesen. https://www.szblind.ch/fileadmin/pdfs/forschung/Fachheft-Sehbehinderung-Schweiz-2019-de-BF-v01.pdf

 

 

 

 

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