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4 Lernen und Sehen mit Mehrfachbeeinträchtigung

Um Schülerinnen und Schülern mit Sehbeeinträchtigungen und Mehrfachbehinderung einen angemessenen Unterricht zu bieten, sollten Pädagoginnen und Pädagogen die Rolle berücksichtigen, die das Sehen beim Lernen spielt. Für Schülerinnen und Schüler ohne Sehbeeinträchtigung findet viel Lernen nebenbei statt – indem man jemand anderem dabei zusieht, wie sie/ er eine Aufgabe ausführt oder einen Gegenstand benutzt. Schülerinnen und Schüler ohne Sehbeeinträchtigung können durch Beobachtung und Nachahmung etwas über die Welt lernen, und sie werden durch visuelle Hinweise angeregt, ihre Umgebung unabhängig zu erkunden und etwas über die Gegenstände und Menschen zu erfahren, die sie sehen.

Schülerinnen und Schüler mit Sehbeeinträchtigung, einschließlich Schülerinnen und Schüler mit Sehbeeinträchtigung und Mehrfachbehinderung, haben nicht den gleichen Zugang zu zufälligem Lernen und visuellen Informationen wie Schülerinnen und Schüler ohne Sehbeeinträchtigung. Lernende mit Sehbeeinträchtigungen müssen sich auf Bezugspersonen und Gleichaltrige verlassen, welche die Welt aktiv zu ihnen bringen, um dann die Erfahrungen durch auditive, taktile und visuelle Hinweise zu interpretieren. Die Beeinträchtigung eines Kindes oder Jugendlichen beeinflussen somit auch die Lernpräferenz – auditiv, taktil, visuell oder eine Kombination – und den Zugang zum Bildungsplan sowie dem „Expanded Core Curriculum (ECC)“.

Das ECC beschreibt neun Bereiche, in denen Lernende mit Sehbeeinträchtigung und Blindheit zusätzlichen Förderbedarf zum Lehrplan 21 haben. Die nachfolgende Grafik veranschaulicht die Bereiche. Über das Plus-Symbol können weitere Informationen aufgerufen werden.

Die Schülerinnen und Schüler sind besser in der Lage, neue Fähigkeiten zu erlernen und zu erhalten, wenn sie in realen und natürlichen Umgebungen unterrichtet werden, zum Beispiel wird das Unterrichten einer Schülerin/ eines Schülers, wie er sich vor und nach einer Schwimmaktivität aus- und ausziehen kann, dem Unterricht mehr Bedeutung verleihen als das Unterrichten dieser Fähigkeiten ohne einen solchen Kontext. Wenn die Schülerin/ der Schüler gerne schwimmt, wird die Verwendung dieses Kontexts außerdem Motivation für die Aufrechterhaltung und Verbesserung dieser Fähigkeiten liefern.

 

Pädagogische Prinzipien bei Mehrfachbeeinträchtigung und Sehbeeinträchtigung

  • Verallgemeinerung: Schülerinnen und Schüler mit Sehbeeinträchtigungen und Mehrfachbehinderungen können Schwierigkeiten haben, Fähigkeiten von einer Umgebung zur nächsten zu verallgemeinern.
  • Struktur und Routinen: Lernende mit Sehbeeinträchtigungen und Mehrfachbehinderungen profitieren von Konsistenz in ihrem Alltag. Die Bereitstellung von Struktur und Organisation im Klassenzimmer und in Arbeitsumgebungen hilft den Schülerinnen und Schülern, Veränderungen in den Aktivitäten zu antizipieren und bietet den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit, Aufgaben mit größerer Unabhängigkeit zu erledigen.
  • Konkretes vs. abstraktes Lernen: Schülerinnen und Schüler mit Sehbeeinträchtigungen lernen oft am besten, wenn Aktivitäten erfahrungsorientierter Natur sind. Sehende Kinder können Konzepte durch zufälliges Lernen erwerben, indem sie die Aktivitäten und Objekte um sie herum beobachten. Schülerinnen und Schüler mit Sehbeeinträchtigungen, die nicht den Vorteil des zufälligen Lernens haben, benötigen möglicherweise einen anderen Ansatz.
  • Aufmerksamkeitsspanne und Ablenkbarkeit: Viele Schülerinnen und Schüler mit mehrfachen Behinderungen benötigen eine Vielzahl von Aufforderungen (verbal, körperlich, taktil oder eine Kombination), um sich um eine bestimmte Aufgabe zu widmen. Das erfordert einen hohen Personalschlüssel und viel Geduld.
  • Lernpräferenzen:  Multisensorische Angebote (auditiv, taktil oder visuell) eröffnen Kindern mit mehrfachen Beeinträchtigungen viele Lernchancen.

 

Lizenz

Mehrfache Beeinträchtigung und Sehen Copyright © Fabian Winter. Alle Rechte vorbehalten.

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