6 Besonderheiten in der Kommunikation
Kommunikation ist ein Grundbedürfnis des Menschen. Ohne Kontakt zu anderen ist nicht nur seine emotionale und intellektuelle Entwicklung bedroht-der Austausch mit anderen Menschen ist im Wortsinn „überlebensnotwendig“.
Kommunikation ist ein zentraler Bereich des alltäglichen Lebens, auf den sich Sehbeeinträchtigung auswirkt (ICF 2005). Dies trifft sowohl auf 1:1-Situationen als auch auf komplexe Kommunikationssituationen -wie Unterricht in einer Schulklasse – zu. Damit der alltägliche Umgang gelingt, ist Wissen über eine vorliegende Sehbeeinträchtigung und deren Auswirkungen von großer Bedeutung.
In der pädagogischen Arbeit muss die Frage untersucht werden, ob das Kontaktverhalten durch eingeschränktes oder gar fehlendes Sehen beeinflusst wird. Das Verstehen der Verhaltensweisen anderer Menschen stellt im Alltag oft hohe Anforderungen an sein Gegenüber. Diese Anforderungen steigen proportional mit den Beeinträchtigungen der Wahrnehmung und der kommunikativen Möglichkeiten.
Das Kommunikationsverhalten wird in großem Maße durch nonverbale Signale wie Blickkontakt, Zuwendung des Gesichts zum Sprechenden oder mimische Äußerungen beeinflusst. Während des Kontakts werden diese Signale wahrgenommen, ohne dass sie fortwährend bewusst analysiert werden oder ins Bewusstsein gelangt, auf welche Eindrücke gerade reagiert wird. Die erste Kontaktaufnahme findet oft nonverbal statt: Befindet sich jemand in der Nähe, mit dem man in Kontakt treten könnte? Wer ist die Person, die in die Nähe kommt? Woran kann man erkennen, dass diese Person sich einem selbst zuwendet? Was geschieht zeitgleich im Raum? Fragen, auf die in der Regel mit „einem Blick“ eine Antwort gefunden werden kann.
Das Kommunikations- und Kontaktverhalten eines Menschen kann durch eingeschränktes oder gar fehlendes Sehen deutlich beeinflusst werden. Dies gilt sowohl für 1:1 als auch für komplexe Kommunikationssituationen wie den Unterricht in einer Schulklasse. Genaue Kenntnisse über das funktionale Sehen erlauben es, das Kommunikati onsverhalten einzuschätzen: Wie werden nonverbale Signale aufgenommen? Können Bewegungen imitiert werden? Gerade für den Einsatz von Geräten zur Unterstützten Kommunikation sowie von Symbolen, Piktogrammen oder Gebärden sind Informationen über das funktionale Sehen unerlässlich.
Wie anders stellt sich die Situation für viele Menschen mit mehrfachen Beeinträchtigungen und Sehschädigung dar: Oftmals bleiben Fragen wie „Wer ist es, der gerade meinen Rollstuhl zur Seite geschoben hat?“, „Warum hat mich jemand zur Seite geschoben?“ und „Wo bin ich jetzt?“ unbeantwortet.
Kontaktaufnahme mit diesem Personenkreis sollte möglichst immer nach vorherigem „Anklopfen“ erfolgen. Sich bemerkbar zu machen und eine Handlung anzukündigen, erlaubt der betreffenden Person, sich darauf einzustellen. Veränderungen in der Umgebung müssen für den Betroffenen nachvollziehbar gemacht werden: Dass die Welt eine Ordnung und Struktur hat, kann nicht gelernt werden, wenn Gegenstände und Personen ohne Vorbereitung und Erklärung ihren Platz verändern. Tritt beispielsweise jemand in das Zimmer, ist es sinnvoll, die Person ausdrücklich mit Namen zu begrüßen, damit auch der Mensch mit Sehbeeinträchtigung informiert wird.
Unterstützte Kommunikation (UK) bei Sehbehinderung erfordert Fachwissen und Zusammenarbeit verschiedener Disziplinen.Bei Kindern und Erwachsenen mit Behinderung bieten sich unterschiedlichste Methoden mit Gebärden (körpereigenen Mitteln), Alltagsgegenständen, Bildern oder elektronischen Geräten an. Bei jeder Kommunikationsform ist das Sehen, bzw. die visuelle Wahrnehmung eine wichtige Komponente. Für die Wahl eines passenden Kommunikationssystems und dessen Anwendung müssen die visuellen Möglichkeiten der UK-Personen berücksichtigt werden.
Der nachfolgenden Leitfaden gibt einen schnellen und guten Überblick über die Besonderheiten von UK bei Sehbeeinträchtigung. Er kann hier heruntergeladen werden.