7 Hörsehbeeinträchtigungen und Taubblindheit
Hörsehbeeinträchtigungen können durch etwa 70 verschiedene Ursachen(darunter z.B. Röteln oder Hirnschädigungen) entstehen, davon werden etwa 50 Syndrome genannt. Die bekanntesten sind Usher-, Goldenhar-, Hurler- und CHARGE Syndrom. Nur etwa 6% der Menschen mit Hörsehbeeinträchtigung sind taubblind (Walthes 2014, 83).
Bei Hörsehbeeinträchtigung besteht eine große Herausforderung in einer differenzierten Diagnostik insbesondere im Säuglings- und Kleinkindalter. Blinde Kinder können über akustische und lautliche Handlungen zeigen, ob etwas bedeutsam für sie ist oder nicht, hörbeeinträchtigte Kinder über visuelle Aufmerksamkeit und Handlungen. Bei hörsehbeeinträchtigten Kindern besteht die Aufgabe zunächst einmal darin, die Kommunikation so zu gestalten, dass Beobachter verlässliche Zeichen beobachten können. Die basale Kommunikation zwischen Kind und Mutter oder Kind und Eltern ist im körpernahen Dialog gegeben, das Kind kommuniziert auf die ihm mögliche Weise.
Das Problem besteht darin, die Zeichen des Kindes zu verstehen und an diese anzuknüpfen. Um bei Hörsehbeeinträchtigung herauszufinden, ob Seh- oder Hörvermögen vorhanden ist, bedarf es einerseits der medizinischen Diagnostik, andererseits einer genauen Beobachtung der körpernahen Kommunikation und des kindlichen Verhaltens. Erst dann wird es möglich sein, gemeinsam mit dem Kind Situationen zu gestalten, die eine funktionale Diagnostik ermöglichen.
Bei Schülerinnen und Schülern sowie Erwachsenen mit einer Hörsehbeeinträchtigung sollten die bevorzugten Dolmetscher bei allen diagnostischen Prozessen anwesend sein.
Hörbeeinträchtigungen
Wie eine Sehbeeinträchtigung kann auch eine Hörbebeeinträchtigung angeboren oder erworben sein und von leicht bis hochgradig reichen. Hörverlust kann durch genetische Anomalien, Infektionen (Enzephalitis), Frühgeburten oder Traumata verursacht werden. Es gibt vier allgemeine Arten von Hörverlust: (1) Leitfähigkeitsstörungen; (2) sensorineurale Störungen; (3) gemischte Verluste (eine Kombination aus leitfähigen und sensorineuralen Störungen)und (4) zentrale (=zerebrale) Hörstörungen. Schallleitungsschwerhörigkeit ist jeder Zustand, der verhindert, dass Schallwellen vom Außenohr über das Mittelohr zum Innenohr geleitet werden. Ein sensorineuraler Hörverlust tritt auf, wenn das Innenohr geschädigt wird. Hörverlust wird typischerweise durch die Frequenz des Verlustes (gemessen in Hertz) oder die Tonhöhe der Geräusche, die die Person nur schwer hören kann, und durch die Intensität (Lautstärke oder Weichheit) des Schalls, den die Person hören kann (gemessen in Dezibel), klassifiziert.
Schülerinnen und Schüler mit Hörbeeinträchtigung benötigen eine Reihe von Anpassungen und Unterrichtsstrategien, um das Lernen zu optimieren (Sacks, 1998; Silberman et al., 2004). Schülerinnen und Schüler mit leichtem Hörverlust benötigen Anpassungen im Klassenzimmer wie auditive Verstärkung, einen Sitzplatz in der ersten Reihe sowie Hörtraining. Schülerinnen und Schüler mit moderaten Hörbeeinträchtigungen können durch Hörgeräte, Verstärkungssysteme und (insbesondere bei sensorineuralem Verlust) Cochlea-Implantaten unterstützt werden und benötigen oft Unterstützung von einer/ einem SHP, einer Fachpersonen aus dem Bereich Logopädie und aus der Audiologie. Schülerinnen und Schüler mit hochgradigen Hörverlusten (in der Regel sensorineural) benötigen speziellen Unterricht durch eine/n SHP mit dem Schwerpunkt Hörbeeinträchtigung und werden oft in spezialisierten Schulen (für Kinder mit Hörbeeinträchtigung) beschult, wo sie intensiven Unterricht in Gebärdensprache, Lippenlesen und anderen Kommunikationsmodi erhalten. Schülerinnen und Schüler mit gemischtem Hörverlust (schallleitungsfähig und sensorineural) benötigen möglicherweise eine Reihe von Dienstleistungen und Geräten, darunter Sprachtherapie, Gebärdensprachunterricht, Unterstützung durch eine Fachperson der Audiologie, um den Umgang mit Hörgeräten und Hörhilfen zu erlernen, und Unterstützung von einer SHP mit dem Schwerpunkt Hörbeeinträchtigung, um Änderungen im Klassenzimmer zu ermöglichen.
Studierende mit zentralen Hörstörungen, manchmal auch als auditive Verarbeitungsstörungen bezeichnet, haben Schwierigkeiten, auditive Informationen zu verarbeiten. Solche Schülerinnen und Schüler haben möglicherweise nicht unbedingt einen Hörverlust, sind jedoch möglicherweise nicht in der Lage, die Informationen, die sie hören, zu interpretieren oder zu verstehen. Einige Schülerinnen und Schüler mit Mehrfachbeeinträchtigung, zu denen eine zentrale Hörstörung gehört, werden übermäßig stimuliert, wenn ein bestimmtes Niveau oder eine bestimmte Intensität des Schalls in der Umgebung vorhanden ist. Eine solche Schülerin/ ein solcher Schüler kann zum Beispiel überwältigt oder verwirrt werden, wenn mehr als eine Person spricht oder wenn Störgeräusche vorhanden sind. Verwirrung oder Überforderung zeigen sich durch Unaufmerksamkeit, körperlicher Aggression oder Versuche, die Schallquelle auszublenden (durch Abdecken der Ohren und ähnliche Bemühungen).
Taubblindheit
Taubblinde Schülerinnen und Schüler haben sowohl Hör- als auch Sehverluste. Vollständige Taubheit und amaurotische Blindheit (= Blindheit ohne Lichtscheinwarhnehmung) sind sehr selten. Taubblindheit kann aus einer Reihe von Ursachen resultieren. Schülerinnen und Schüler, die zum Beispiel das Usher-Syndrom haben, erleben in der Kindheit einen Hörverlust und entwickeln Retinitis Pigmentosa (fortschreitende Netzhauterkrankung, die zur Erblindung führt) erst in der Adoleszenz oder im frühen Erwachsenenalter. Durch das Rötelnvirus oder Enzephalitis entstehen in der Regel eine Reihe von Behinderungen, darunter Seh- und Hörverluste sowie kognitive Beeinträchtigungen. Schülerinnen und Schüler mit Charge-Syndrom erleben eine Vielzahl zusätzlicher Anomalien, einschließlich gastrointestinaler Störungen, Verhaltensauffälligkeiten, kognitiver Verzögerungen und anderer Erkrankungen. Dazu muss aber hervorgeheoben werden, dass nicht alle Schülerinnen und Schüler mit Taubblindheit haben kognitive Beeinträchtigungen.
Ansprechpartner in der Praxis – Die Tanne: Kompetenzzentrum für Taubblinde und Hörsehbeeinträchtigung
Die Tanne, Schweizerische Stiftung für Taubblinde, ist das Kompetenzzentrum für Kleinkinder, Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit Hörsehbehinderung und verwandter mehrfacher (Sinnes-) Behinderung. Bei einem Verdacht auf Hörsehbeeinträchtigung und Taubblindheit können Sie sich an die Einrichtung wenden:
Tanne Schweizerische Stiftung für Taubblinde
Fuhrstrasse 15,
CH-8135 Langnau am Albis
Telefon +41 (0)44 714 71 00
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