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Grobplanung

Bezug zum Lehrplan 21

Im Lehrplan 21 wird der Körper im Fach NMG als Bestandteil des Lernens festgehalten.
«Identität, Körper, Gesundheit – sich kennen und sich Sorge tragen» (vgl. LP 21, NMG 1./2. Zyklus). Als Kompetenzen werden sechs Punkte wie folgt aufgelistet:

  • Die Schülerinnen und Schüler können sich und andere wahrnehmen und beschrei­ben.
  • Die Schülerinnen und Schüler können Mitverantwortung für Gesundheit und Wohl­befinden übernehmen und können sich vor Gefahren schützen.
  • Die Schülerinnen und Schüler können Zusammenhänge von Ernährung und Wohl­befinden erkennen und erläutern.
  • Die Schülerinnen und Schüler können den Aufbau des eigenen Körpers beschreiben und Funktionen von ausgewählten Organen erklären.
  • Die Schülerinnen und Schüler können Wachstum und Entwicklung des mensch­lichen Körpers wahrnehmen und verstehen.
  • Die Schülerinnen und Schüler können Geschlecht und Rollen reflektieren.

Der Lehrplan 21 ist für die Planung der Bildungsangebote in allen Deutschschweizer Kantonen relevant. Dieser gilt auch für Schülerinnen und Schüler mit besonderen pädago­gischen Bedürfnissen. Er ist eine verbindliche Orientierung für die obligatorische Schulzeit (drei Zyklen, 11 Schuljahre). Der Lehrplan bietet einen roten Faden für die obligatorischen Schuljahre und gibt immer wieder Anhaltspunkte für Themen, die mit den Schülerinnen und Schülern bearbeitet werden sollten. In den Vorbereitungen für den Unterricht mit Kindern mit besonderen Bedürfnissen geht es darum, immer wieder einen Perspektiven­wechsel vorzunehmen, das heisst, den Lehrplan aus der Sicht des Lernenden zu lesen. Die Schülerinnen und Schüler mit kognitiver Beeinträchtigung bringen Wissen und Kom­petenzen mit. Eine konkrete Planung baut auf dem Vorwissen auf.

Die Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK, 2014) besagt, dass in den obligatorischen Schulen allen Schülerinnen und Schülern das lebenslange Lernen ermöglicht werden soll, damit sie ihren Platz in der Gesellschaft und im Berufsleben finden können.

Die Bildungsziele des Lehrplans 21 (2014) sind wie folgt aufgelistet: «Bildung ist ein offener, lebenslanger und aktiv gestalteter Entwicklungsprozess des Menschen.

Bildung ermöglicht dem Einzelnen, seine Potenziale in geistiger, kultureller und lebens­praktischer Hinsicht zu erkunden, sie zu entfalten und über die Auseinandersetzung mit sich und der Umwelt eine eigene Identität zu entwickeln.

Bildung befähigt zu einer eigenständigen und selbstverantwortlichen Lebensführung, die zu verantwortungsbewusster und selbstständiger Teilhabe und Mitwirkung im gesellschaft­lichen Leben in sozialer, kultureller, beruflicher und politischer Hinsicht führt.»

Die Zielsetzungen, die in der Behindertenrechtkonvention (BRK, 2014) in Artikel 24 beschrieben werden, sind mit den Bildungszielen des Lehrplans 21 zu vergleichen. Eine Zusammenfassung der Hauptpunkte (BRK, 2014) zeigt sich wie folgt:

(1) Die Vertragsstaaten anerkennen das Recht von Menschen mit Beeinträchtigung auf Bildung, ohne Diskriminierung und auf der Grundlage der Chancengleichheit. Sie gewähr­leisten ein integratives (inklusives) Bildungssystem auf allen Ebenen unter Achtung der Menschenrechte, volle Entfaltung ihrer Persönlichkeit und Befähigung zur wirklichen Teil­habe an der Gesellschaft.

(2) Menschen mit Beeinträchtigung dürfen nicht ausgeschlossen sein vom unentgeltlichen Grundschulunterricht oder vom Zugang zu weiterführenden Schulen, haben Zugang zu einem integrativen (inklusiven) hochwertigen Unterricht und erhalten im allgemeinen Bildungssystem die notwendige Unterstützung. Ziel ist die vollständige Integration in der Gesellschaft.

(3) Für Menschen mit Beeinträchtigung werden geeignete Massnahmen getroffen, die für jeden Einzelnen am besten geeignet sind, lebenspraktische Fertigkeiten und soziale Kom­petenzen zu erwerben und die volle und gleichberechtigte Teilhabe an der Gemeinschaft zu erleichtern. Zu diesem Zweck ergreifen die Vertragsstaaten geeignete Massnahmen, unter anderem

(4) zur Gewährleistung völliger Gleichberechtigung durch geeignete Massnahmen. Die Ver­wendung ergänzender und alternativer Mittel und Formen und spezieller Materialien und Verfahren der Kommunikation sowie die Schulung und Einstellung von geeigneten Lehr- und Fachkräften, einschliesslich solcher mit Beeinträchtigungen, ist der Schärfung des Be­wusstseins von Beeinträchtigungen dienlich.

5) Menschen mit Beeinträchtigung wird ermöglicht, ohne Diskriminierung und gleich­berechtigt mit Anderen Zugang zu allgemeiner Hochschulbildung, Berufsausbildung, Erwachsenenbildung und lebenslangem Lernen zu haben.

Nach Hollenweger (2020) entsprechen die Bildungsziele somit den Ansprüchen der Behin­dertenrechtskonvention, wonach Menschen mit Beeinträchtigung ihre Persönlichkeit, ihre Begabungen und ihre Kreativität sowie ihre geistigen und körperlichen Fähigkeiten voll zur Entfaltung bringen können. Auch muss die Teilhabe an einer freien Gesellschaft ermöglicht werden (UN-BRK, 2006).

In der Anwendung des Aufbaus von Grundlagenkenntnissen mit Vertiefungsmöglichkeiten von Hollenweger und Bühler (2021) geht es wiederholt darum, die Schülerinnen und Schüler zu befähigen. Sie sollen ein möglichst eigenständiges und selbstverantwortliches Leben führen können. Um eine eigene Identität zu entwickeln, benötigt es Bildung. Sie befähigt zur Mitwirkung am gesellschaftlichen Leben in sozialer, kultureller, beruflicher und politischer Hinsicht.

Der Auftrag der Schule ist, auf die Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler aufzubauen («Können»), daraus Erfahrungen zu ermöglichen («Wissen») und die Entwicklung von Interesse und Bereitschaft der Lernenden zu fördern («Wollen»). Da Kinder mit kognitiver Beeinträchtigung nicht alle Aktivitäten des Lehrplanes ausführen können, ist es wichtig, Lerngelegenheiten zu schaffen, die das «Können», «Wissen» und «Wollen» ermöglichen und die Kompetenzen sowie die Kompetenzstufen an das Lernen der Lernenden mit kog­nitiver Beeinträchtigung anzupassen. Nach Bühler und Dietrich (2020) stellt sich die Frage «Wer lernt was, wozu, wie, mit wem?». Diese Fragestellung hilft bei der Planung der Akti­vitäten im Unterricht (siehe Kapitel 4.4 Lernen am gemeinsamen Gegenstand), damit die individuellen Lernvoraussetzungen berücksichtigt werden können.

Das Planen der Lerninhalte nach dem Lehrplan 21 hat auch Konsequenzen für die Diagnostik und die Förderung von Kindern mit einer kognitiven Beeinträchtigung, wie Hollenweger und Bühler ausführen (2021). Die relevanten diagnostischen Informationen zur Behinderung, zur Möglichkeit einer Beteiligung und Befähigung bilden die Grundlagen für eine befähigungsorientierte Förderung (Bildung). Die Entwicklungsgrenzen der Lernenden sind dabei zu beachten und nicht die Grenzen der Lehrpersonen.

In der folgenden Abbildung werden drei Elemente aufgezeigt, die in den Fach- und Kom­petenzbereichen enthalten sind.

Elementarisierung:
Elementarisierung geht immer mit dem Kompetenzbezug des Lehrplans 21 einher. Die Kompetenzen wurden mit Blick in die Zukunft auf das Wesentliche reduziert. «Elementari­sierung» bezieht sich auf das «Können», auf die Fähigkeiten und Fertigkeiten des Lernenden. Wenn der Lernende die Kompetenzbeschreibung noch nicht erreicht hat, wird eine Elementarisierung vorgenommen. Das heisst: Die Kompetenzbeschreibung wird ange­passt.

Kontextualisierung:
Bei der Kontextualisierung geht es um das Einbetten von Lerngelegenheiten in einen geeig­neten sozialen, thematischen oder räumlichen Kontext. Dieses Zusammenspiel, sogenannt handelndes Lernen, soll genutzt werden, um neue Erfahrungen zu machen und um Fachinhalte zu erleben. Fachinhalte, sowie die Themen des Lehrplans, die an die Vor­erfahrungen und das Vorwissen der Lernenden anknüpfen, miteinander verbunden.

Personalisieren:
Die Personalisierung ist die Ausrichtung des Kompetenzaufbaus auf das übergeordnete Bildungsziel oder die Befähigung. Dabei stehen die Schülerin und der Schüler als ein sich entwickelndes Individuum im Zentrum. Die Interessen und Ressourcen der Lernenden spielen eine wichtige Rolle.

Für Hollenweger und Bühler (2019) ist es unerlässlich, insbesondere auch die Befähigungs­bereiche für Schülerinnen und Schüler mit kognitiver und komplexer Behinderung zu ent­wickeln. Sie orientieren sich dabei am Befähigungsansatz («Capability Approach») von Nussbaum und Sen (2004). Die Bezeichnung und Strukturierung der entwickelten Befä­higungsbereiche beinhalten die relevanten Kompetenzbereiche aus dem Lehrplan 21 sowie die Lernbereiche der ICF (vgl. Bildungsdirektion Kanton Zürich, 2018, S. 5).

In der Planung der Unterrichtseinheiten wird von den Ressourcen eines Kindes ausge­gangen. Folgende Fragen von Hollenweger und Bühler können dabei helfen (2021):

«Erlernbar?
Kann ein Kind aufgrund seiner Behinderung die im Lehrplan vorgesehenen Fähigkeiten und Fertigkeiten («kann»-Formulierungen in den Kompetenzstufen) erlernen?

Anwendbar?
Kann das Kind seine Fähigkeiten und Fertigkeiten («Können»), sein Wissen und seine Er­fahrungen («Wissen») sowie seine Bereitschaften und Interessen («Wollen») in der aktuellen Lernsituation einbringen? Braucht es allfällige Anpassungen an der Lernum­gebung oder braucht es Hilfsmittel?

Befähigend?
Kann das Kind die zu erlernenden Fähigkeiten und Fertigkeiten, das zu erwerbende Wissen respektive die neuen Erfahrungen und die aufzubauenden Bereitschaften zur Erweiterung seiner Handlungsmöglichkeiten (doings) oder Erfahrungsmöglichkeiten (beings) nutzen?».

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